1971
Du stehst unten auf dem Gehsteig
und winkst
Hinter dem Fenster die verrenkte Stadt
Stille wie
in der Urne des Selbstmörders
Dein Rücken geht gerade
Mit der Nase verreibe ich
Rotz auf dem Glas
Hydra
Sie gibt zum Besten, wie sie die Tochter, drei Jahre alt, durch die Glastür stieß. Die Kleine soll sie echt auf die Palme gebracht haben. Zur Strafe hab ich sie noch kahlgeschoren, lacht sie und bläst Rauch aus. Ich will gehen, aber da öffnet sie schon den Wein und bietet mir das Du an. Nach dem dritten Glas machen wir es.
Schwarze Chronik
Ich bin einsam
bekannte sich im Verhör
der festgenommene Rentner
zum Schärfen der Bombe
anschließend gab er zu Protokoll:
Ich heiße Votýpka, aber seit meiner Kindheit
nennt mich keiner anders als Votýpka
Gezeugt wurde ich im Mais
wenigstens tuschelte man das
Angeblich trug Vater
einen Lavendelzweig am Hut
Mein Weg wand sich eigenartig
das kann ich unterschreiben. Durch
haushohes Moos irrte ich,
hoch wie der Himalaja!
Was es bei Ihnen Neues gibt,
erzählen Sie mir nächstes Mal, liebe Herren
Jetzt muss ich gehen
und die Ziege melken
den Router neu starten
eine Tasse Hagebuttentee trinken
denn ich bin einsam
Abend
Die Overalls auf der Leine glänzen wie Silber
die Sonne fällt im freien Fall an einen unbekannten Ort
Hungrige Augen suchen hungrige Augen
Eine Keramikhand schließt die Tür auf
die Stimme sagt hier entlang
Moldau
Sirenentest
und danach Stille
wie im Stummfilm
Die Pförtnerin süßt ihren Tee
stellt den Radiosender ein
Absatzklappern
Niemandes Parfum
Über dem Fluss fliegen Schwäne
am Himmel ziehen graue Wolken
Viele sterben auf der Reise
Übersetzung: Jana Krötzsch