Milan Děžinský

Umrunden der Insel

2017 | Host

* * *

Bevor du ertaubst, bist du blind.
Sprichst mit dem Schöpfer,
um festzustellen, dass er nur Vermittler ist.
Warum könnte es nicht der Regen, die Taube
auf dem nassen Zweig oder jemand mit einem Messer sein.
Oder jemand mit einem Messer?

Aus dem vorüberfahrenden Auto
gebärdet eine Hand: Wir verspeisen dein Herz.

Nur ein Geist irrt und sucht, wo er seinen Abdruck ansaugen soll.

 

In der Bar gehörtes Lied

Küss mich, als sei ich ein Mädchen.
Du sollst nur wissen, ich hab ein rotes Kleid und einen Mond,
Hochhackige Schuhe und ich bin lebendig.

Die Drähte klicken wie Fallen, Schatz, ich bin im Feuer.
Hier im Leib hab ich ein ungebor‘nes Kind.
Ich weiß, wenn der Abend kommt, sterbe ich glücklich.

 

* * *

Noch während des Hotelfrühstücks
beim Kaffeetrinken
das Funkeln deiner Härchen,
bevor uns die Ponyreiter umzingelten,
krumme chinesische Zähne, starke Brillen und kurze Beine.
Niemals werden wir erfahren,
was deine Jugend dazu meint,
was mit Bürste und Kamm eng umschlungen
in der Reisetasche bei zugezogenem Reißverschluss geschieht,
bevor wir jeder für uns in einer anderen Ferne sterben
unter der Schneekruste,
oder die großen Zehen in den Stiefeln unter dem Tisch,
deren jegliche Regung
wie ein Hundegespann durch den Traum fährt.


Kuss

Vom Bahnsteig schickt die Frau ein Wort wie einen Kuss,
das Wort entziffere ich nicht:
Bevor es bis zu mir segelt, wird es vom Punto getroffen,
der einen so großen Schrank transportiert,
dass es wirkt, als verstecke jemand das Auto im Schrank.

Der Wagen fährt wohl zum Meer in Karlín und Libeň
oder zum Rand der südlichen Berge, über deren Hänge
du bis zum Gebirgssee kämst,
wo die Fische, stoßen sie zusammen,
wie Glöckchen klingeln.

 

Ich möchte heut in ein fröhliches Haus kommen,

dass mich meine Frau anlächelt wie am Hochzeitstag,
dass niemand vor der Tür steht,
nichts in die Fenster hineinschaut,
der Wind soll in der Dachrinne flüstern.
Der Geist weht, wohin er will.
Schau deine Frau an, schon lächelt sie,
ihre Sprache ist Wohnungsdekoration,
farbige Unterschiede,
Pulloverkombinationen.
Auch das schönste Gedicht sagt, was ich lange weiß.
Ein Gedicht ist nicht das Leben.
Es ist in Ordnung, wenn es mit Einatmen endet.

 

Lied aus der Jukebox

Ich mochte Ihre Stimme sehr,
doch schaut‘ ich auf die Hände,
schlanke Finger, Wächter.

Warum kamen Sie nachts zu mir?
Sie kamen aus der Wüste
und fanden ein Schiff aus einem Stamm.

Eine lange Pirogge.

Warum kamen Sie nachts zu mir?
Warum kamen Sie nachts zu mir?

 

Übersetzung: Jana Krötzsch