Chandra namaskar, Mond, sei gegrüßt. Es ist nicht wie bei Honeys Geburtstagsparty. Als unsere Mitschüler durch ihr Elternhaus stromerten und besoffen in Blödeleien versanken, als sie wie Berserker kreischten und zu wummernder Musik tanzten, die die Wände zum Wackeln brachte.

Hier sickert kein Geräusch durch die Wand, nur Stille. Rauch brennender Zigaretten und glühende Asche in den überfüllten Aschenbechern verschlucken auch die leiseste Andeutung eines Geräuschs. Die Fenster sind nicht verdunkelt. An der Wohnungstür nimmt mir ein Junge das Handy ab. Das finde ich doof. Habe lange dafür sparen müssen. Obligatorisches Aufnahmeritual. Ist nur zu deinem Besten, damit du es nicht verlierst, sagt der Junge, ich bin eine Art Hoteltresor hier, zwinkert er mir beruhigend zu. Wir sind die Auserwählten.

Meine Füße versinken im flauschigen Perserteppich. Teppiche sind überall. Wie dicht gewachsenes Gras schwappen sie über die Türschwellen, strecken unter meinen Schritten die Zungen heraus. Ich freue mich auf die Fotosession mit dem Profi-Fotografen, die mir Honey versprochen hat. Ich freue mich auf meine Mappe.

Der Junge bringt mich in ein verrauchtes Wohnzimmer. Auf der Couch macht ein Typ mit einem Mädchen rum. Wie eine antike Statue treten sie vor mir aus dem Nebel hervor. Das Mädchen ist höchstens dreizehn. Als sie voneinander lassen, leuchten die Klammern der Zahnspange in ihrem Mund wie Diamanten. Der Typ kommt mir alt vor. Sie werfen mir einen kühlen Blick zu. Er mustert mich von Kopf bis Fuß. Sie bohrt sich kurz in meine Augen, ihr Ausdruck so leer und nichtssagend, dass ich ihm nichts entnehmen kann, und dann kleben sie schon wieder aneinander. Vor ihnen auf dem Tisch stehen zwei Glasschälchen mit weißem Pulver. Von dem fetten, schweren Zigarettenqualm wird mir übel, aber ich lasse mir das nicht anmerken, ich will dazugehören, ich gehöre dazu, ich habe es geschafft. Nachdem ich wochenlang bei ihr scharwenzelt, mich abgestrampelt hatte. Nachdem ich wochenlang an nichts anderes denken konnte. Endlich habe ich es geschafft. Ich brenne vor Neugier. Ich brenne für Honey. Da ist sie schon. Zur Begrüßung umarmt sie mich. Ich kichere. Damit ich Mut fasse und Angst verjage. Honey hält mich in den Armen und raubt mir den Atem, als sie sagt, ich sehe super scharf aus, vor lauter Erregung kann ich nur noch stottern. Sie reicht mir eine Flasche eisigen Wodka. Hier wird direkt aus der Flasche getrunken. Sie lässt ihren Arm auf meiner Schulter liegen und ruft den Jungen, der am Eingang die Handys einsammelt. Sie behandelt ihn von oben herab, man weiß sofort, wer hier das Sagen hat. Das waren für heute alle, sagt sie. Ich weiß nicht, ob sie Frauen oder Handys meint. Der Junge dreht mir einen Joint. Ich ziehe daran und schüttele den Kopf. Gebe ihm die Tüte zurück. Er reicht sie an Honey weiter, sie schiebt sie dem Mann in die Hand, der an den Kleinmädchenlippen über den Diamanten saugt.

 

Der Junge macht eine Zigarette an und drängt sie mir auf. Er behandelt mich mit Respekt, gut, dass er es kapiert hat. Ich gehöre nämlich zu ihr. Bin stolz zu ihr zu gehören, zu der schönen Reichen, der taffsten Braut aus der ganzen Schule, zu der geheimnisvollen Honey. Sie hat MICH auserwählt. Der Junge legt Musik auf, ganz dezent. Langgezogene langsame Musik. Honey tanzt mit den Armen überm Kopf. Ihre Lippen sind himbeerfarben, mit einer dicken Schicht Lippenstift drauf. Sie löst ihre Haare. Magnetisiert den Raum. Immer mehr Frauen machen mit. Scharen sich um sie. Alles geht fast lautlos vor sich, dabei ist es schlichtweg ein Knall, so hart, so schön das Ganze. Honey steckt ihre Haare wieder hoch. Wie auf ein Zeichen ziehen aus anderen Räumen dicke Wolken auf. Keine Jungs, wie Honey versprochen hatte. Keine Modenschau, für die man mich schminken würde. Und kein Fotoshooting für Modellagenturen.

Ameisemännchen schwärmen aus, wackeln um die angesäuselten und bekifften Frauen, sickern ein in ihren Kreis, zappeln im gleichen Rhythmus. Aus dem Schwarm taucht eine Gestalt auf, ein großer Mann, streift mich mit der Schulter. Ich mag das nicht. Trete einen Schritt zurück. Er entwindet die ungerauchte Zigarette meinen Fingern, die Aschenschlange fällt ab, er fängt sie in der hohlen Hand auf. Schließt sie zur Faust. Den Zigarettenstummel legt er an den Mund, saugt. Ich sehe ihn an. Denke an die glühende Asche in seiner Hand. Tolle Augen. Schwarz. Zwischen seinen Lippen schlängelt sich der Rauch. Er lässt mich stehen, redet mit Honey. Kommt zurück, sagt nichts, fasst mich an der Taille und ich denke, hoffentlich kriegt er meine pieksigen Hüften nicht mit. Er wirbelt mich herum, beim Tanzen schiebt er die Hand unter meinen Slip und kneift mich in den Hintern, es läuft mir ganz kalt den Rücken runter, ich mag so etwas nicht, aber hier wird nicht geschrien, man würde mich verspotten und dann wäre Schluss mit Honey, meine Chance auf ein anderes Leben wäre ein für alle mal vorbei. Sein Finger fährt zwischen meine Pobacken wie ein Bolzen. Das will ich nicht, ich drehe mich weg, möchte gehen. Der Mann lacht, lässt mich stehen und spricht mit einem Kerl in einem T-Shirt mit Arnold Schwarzenegger darauf, keine Ahnung, aus welchem Film das Bild kommt, der Typ, der das Shirt mit V-Ausschnitt trägt, ist alt. Alle hier sind alt, sie sind alle über zwanzig, weit darüber. Der im T-Shirt lacht nicht, jetzt flüstert er Honey etwas zu und zieht dabei eine weiße Linie auf dem Tisch. Honeys Gesicht verhärtet sich. Es ist nicht die Honey, die ich kenne. Sie spielen Stille Post.

 

Honey lächelt nicht mehr, sie geht zu mir und sagt entnervt, ich soll entspannen und kein Theater machen, wenn ich mir die Chance meines Lebens nicht vermasseln will. Sie führt mich zu dem Tisch, auf dem der V-Ausschnitt eine Linie Koks gezogen hat. Greif zu, sagt Honey, das gehört zu Fotosessions und Filmdrehs dazu, das macht locker, du wirst es mögen, außerdem willst du doch dein Handy zurück, aber das musst du dir erst verdienen, mach keinen Blödsinn, enjoy, hier kriegst du alles umsonst, wo gibt es das sonst, sie nötigt mir noch einen Schluck Wodka auf. Oder möchtest du was anderes? Noch einen. Ein Flächenbrand ergreift meine Eingeweide, ich glühe, werde zur Fackel. Allmählich gefällt es mir hier, ich spüre die Hitze in meinem Inneren, sie lässt mich taumeln und alles um mich herum taumelt mit. Honey zieht mir die Schuhe aus, ich laufe barfuss über den weichen Teppich, manchmal hebt mich einer hoch und der Leuchter unter der Decke taumelt, der Teppich kitzelt meine Füße, das Gras wächst bis zur Decke und meine Haare auch, wie Schlangen tänzeln sie um meinen Kopf, im Badezimmer schnappe ich mir die Schere und schneide sie durch, ich schnippele den Schlangen das Köpfchen ab so wie meine Oma in ihrem Gemüsegarten die Nacktschnecken zerschnitt, eine nach der anderen schnitt sie die Schnecken durch, um sie nicht anfassen zu müssen, davor hatte sie sie gesammelt und in Salzlauge getränkt, ich drehe den Wasserhahn auf und lasse Wasser durch meine Finger fließen. Honey riecht nach dem teueren Parfüm, das ich mir manchmal leihen darf, wir haben beide den gleichen Nagellack, auch den hat sie mir geliehen, und ich trage ein T-Shirt, das sie mir gekauft hat, sie ist meine beste Freundin, ich umarme sie und sie umarmt mich, wir tanzen eng zusammen, sollen die anderen Mädchen endlich mitkriegen, wer ich bin, sie schleift mich nach hinten, ich schlingere hinterher, sie kippt immer wieder etwas in mich rein. Mein Kopf glüht und wankt, ich bin ein Stoffpüppchen, mein Körper ist weich und willig, ich bin genauso schön wie sie, meine Honey, wir lachen, um uns herum verhaltene Gesichter und verhaltene Musik, auch das Licht gibt sich verhalten, schön dunkel, Honey führt mich in eins der Zimmer, in der Dämmerung menschliche Silhouetten. Sie knallt die Tür hinter mir zu, ich rüttele an der Klinke und spüre Hände an meinen Hüften und Tentakel an meinen Brüsten und zwischen den Beinen, mit Kitzelfingern schmust die Krake mit mir, ich lache, die Fangarme schlängeln sich fester, ich schreie, fange an zu betteln, ich will das nicht, wer seid ihr, sinnlos und unnötig schreie ich mir die Seele aus dem Leib, ich schreie in meiner chaotischen, uferlosen Angst, die gerade dabei ist, sich für immer in meinem Körper einzunisten, es sich dort gemütlich zu machen, sie hat meinen Körper als ihr Zuhause auserkoren, sie wird die feine Maschinerie meiner Seele zerrütten, das Vertrauen zu anderen löschen und ein Ich stärken, das nie meins gewesen ist und das ich hasse, das ich aber brauchen werde, um nicht auseinander zu fallen. Einer hält mich fest und die anderen wechseln sich ab. Als würde eine Teufelsmaschine auf meinen Körper hämmern, von allen Seiten auf ihn eindreschen, in einem Rhythmus, der mich nach Atem schnappen lässt und mir Speichel aus den Mundwinkeln lockt, danach ist mein Mund trocken und ich liege stumpf und lahm, als hätte man mir Novocain gespritzt, aber dann kehrt der Schmerz zurück und bringt mich endlich zum Schweigen, der Schmerz knebelt mir den Mund und die Zeit löst sich auf.

 

Als ich zu mir komme, steht Honey über mir. Als wäre nichts passiert. Ruf die Polizei. Das will ich sagen, aber die Worte kommen nicht durch meine Lippen durch, die Lippen tun weh, alles tut weh, ich bin aufgerissen, zugerichtet wie ein Tier. Ein Zeitungsartikel schießt mir durch den Kopf, ein Artikel, der mich nicht interessierte und den wir im Unterricht durchgenommen haben, ein Artikel über eine vergewaltigte Studentin irgendwo in Indien oder sonstwo, dort lassen sie die Frauen in falsche Busse einsteigen, bevor sie ihnen den Körper genauso aufreißen wie mir. Auch ich sitze in einem Bus, aber der hält nicht an, fährt nur immer schneller und hat nicht mal verdunkelte Fenster, ich bin immer noch in dieser Stadt und diesem Land, ich lebe in einem zivilisierten Land in Europa, was habe ich mit dem dreckigen Indien zu tun, ich habe keine Ahnung von Indien und will auch keine haben, ich bin besser, ich bin die Auserwählte, Indien war eine Kolonie, Indien gehörte mal uns, mehr weiß ich nicht.

Die andere Honey steckt sich eine an. Sie tut nicht mehr, als wäre sie eine Freundin, sie benimmt sich nicht mehr wie die Mama, an die ich mich herangekuschelt habe. Das war doch nichts, sagt sie trocken. Darüber solle ich zu keinem was sagen. Und mit etwas Grips komme ich sogar an gutes Geld heran. Du bist GELIEBTE geworden, fügt sie hinzu, gut, oder.

Ich sehe Honey an und meine Ohren wollen ihr nicht trauen. Sie muss irre geworden sein, verrückt, bestimmt träume ich nur. Bestimmt nicht, sagt mein Körper. Ich reiße die Augen auf. Sie drohen herauszuspringen. Zwischen meinen Schenkeln breitet sich ein herrenloser Schmerz aus, der Schmerz hat Zähne und schnappt zu und Wodka fetzt meine Eingeweide in Stücke, ein kühler Hauch an meinem Nacken, irgendwo zieht es, eine leichte Brise an meinem Hals, saurer Atem, ich versuche den schweren Zementsack loszuwerden, der auf mir liegt, ich will weg, eine Zunge schiebt sich in meinen Hals, ich werfe mich hin und her, das Gewicht, das auf mir liegt, wird dadurch nur schwerer, ich kann meine Beine nicht bewegen, plattgedrückter Frosch, meine Oberschenkel sind taub, sterben ab, neue Zähne kommen dazu, sie glänzen und lauern, worauf warten sie bloß, ich bäume mich auf, Finger schließen sich um meinen Hals, von Tentakeln umwickelt kann ich mich nicht rühren, bekomme keine Luft, der Schmerz hat zugebissen und lässt nicht locker. Ich öffne den Mund, will schreien, Honey die Fee steht über mir und legt mir den Zeigefinger auf die Lippen, flößt mir einen neuen Schluck eiskalten Wodka ein, mit weißem Pulver bestäubt, sie neigt ihr süßes Gesicht über mich, flüstert mir in den Mund, das ist nur eine Prüfung, mein Täubchen, ein Aufnahmeritual, wenn du durchhältst, gibt es was zur Belohnung. Wodka fließt meinen Hals herunter, kühlt den Körper, ich schreie und brülle, weiße Zähne schnappen zu, ich halte die Klappe und fange im Geiste an zu zählen, ich klammere mich an die Zahlen, halte mich fest an ihnen, einmal muss es doch zu Ende sein, keine Ahnung, wie lange ich werde zählen müssen, dreistellige Zahl und Rettung, die Zange lockert sich, der Zementsack fällt ab, wie auf Befehl stürzen sich die Körper in den nächsten Raum und tanzen.

 

Ich habe meinen Körper verloren. Den hier will ich nicht, der gehört ihnen, mir ist speiübel, ich schlage um mich, der Zementsack ist weg, bis auf meinen Körper gibt es keinen, den ich verdreschen könnte, ich ziehe die Hose und das T-Shirt an, der Slip kommt in die Hosentasche, einen BH trage ich nicht, wozu auch, meine Schuhe sind irgendwo im weichen Teppichdickicht abgeblieben, dort nebenan, wo getanzt wird, wo drei Männer Julia hinter sich zerren, Julia aus unserer Schule, ich tue, als würde ich sie nicht sehen, als würde ich sie nicht kennen, einer verdreht ihr die Hand hinterm Rücken und hinter mir säuselt Honeys Stimme, merk dir das, so sieht es aus, wenn man petzt, die hat bei den Bullen geplappert, die Jungs sind diesmal nicht mehr nett, aber zu dir waren sie das, sie waren sogar zärtlich, im Laufe der Zeit findest du schon Gefallen daran, und wenn dich jeder gestreichelt hat, gehörst du für immer zu uns und wir beschützen dich, ansonsten lacht dich jeder aus, sie alle, ich, die ganze Stadt, die ganze Welt, es liegt nur an dir, deine Entscheidung, aber du warst echt gut, willkommen unter den Auserwählten, und wenn du noch ein anderes Küken mitbringst, bekommst du sogar Geld von mir und verdienst was.

Ich gehöre zur Clique der Auserwählten, über die in der ganzen Schule getuschelt wird, vielleicht erfahre ich eines Tages, warum das hier die Befreiung, das Paradies sein soll, warum die anderen Frauen so seltsam und unterkühlt gucken, warum sie so unnatürlich laut lachen und so cool reden und verdammt glücklich sind, nur weil einer für sie entschieden hat, dass das hier ihr Glück sein soll, warum hat mich keine gewarnt, ich will nie wieder hierher, nie wieder.

Nein? Honey wird ernst. Du enttäuschst mich. Vor meinen Augen macht sie ein Handy an, zeigt mir ein Video, die Frau kenne ich, die Aufnahme ist verwackelt, das Mädchen nackt, splitternackt, man sieht kaum etwas, auf dem ausgemergelten kindlichen Körper fläzt ein Kerl. Schön brav bleiben, sonst geht das hier ins Netz, und es glaubt dir keiner, dass du es nicht gewollt hast, keiner. Dann umarmt sie mich. Endlich kannst du aus dem Vollem schöpfen, endlich passiert was, ich mag dich doch so gern. Mein Körper rückt weg von ihr, tausend feine Nadeln wüten in ihm. Honey reicht mir ihre Jacke, die leih ich dir. Sie stützt mich. Sie ist nett. Wir gehen die Treppe hinunter, draußen wartet ein Typ im Auto, um mich nach Hause zu fahren. Honey ist nett. Ich will nicht einsteigen. Der Typ startet und im Nu ist er weg.

Im fremden Körper auf vertrauter Straße.

Honey raspelt bereits mit einer anderen Frau Süßholz und keiner wundert sich über etwas, ich stehe ohne Schuhe vor dem Haus, meinen Slip schmeiße ich in die Mülltonne und übergebe mich, wenn ich bloß wüsste, was ich tun soll, ich denke an Julia, die dort oben geschunden wird, Honey meinte, auf der Bullerei hätte ihr keiner glauben wollen und da hätte sie die Blamage nun. Ein altes Ehepaar mit Hund geht vorbei, sie gehen Gassi, angewidert wenden sie sich von mir ab. Bitte, möchte ich sagen, helfen Sie mir bitte. Ich sage nichts. Hinter ihnen wankt ein Grüppchen Besoffskis, was für ein hübsches Fotzilein, ein kleines heißes Fotzilein, brüllen sie lachend, und da fange ich an zu weinen. Bitte, helft mir doch, will ich sagen. Chandra namaskar, Mond, sei gegrüßt.

Zu Hause schleiche ich heimlich durch die Tür, alle schlafen. Ich packe meinen Körper in die Badewanne und schrubbe ihn mit Mutters Seife, diesen Körper will ich nicht, ich möchte einen anderen, aber es gibt keinen anderen, ich werde ihn behalten müssen, es bleibt mir nichts anderes übrig, bis ans Lebensende werde ich in diesem Körper stecken, erst jetzt holt mich das Grauen ein. Aber vielleicht gibt es einen Ausweg, vielleicht kann ich mich herausschreiben, ich schreibe mich von meinem Körper frei, bei dieser Frau, deren Schreibkurs man uns für nächstes Schuljahr angeboten hat. Mein Körper ruht, er liegt auf dem Fußboden, ins Bett darf er nicht, ein Aas gehört da nicht rein, ein streunender Hund hat keine Freunde außer Honey, nur Honey behandelt Körper nett.

 

Am Morgen lugt Vater durch die Tür, warum stehst du nicht auf, ist was?, auch Mutter guckt herein; beide haben wir tiefe Ringe unter den Augen, sie aus anderen Gründen als ich, Vater schläft nicht mit ihr, sondern mit anderen, aber sie lässt sich nicht scheiden, weil sie die Miete nicht allein aufbringen würde. Und so hängt jeder in seiner Suchtschleife und sehnt sich nach etwas anderem, seit ich denken kann, zerreiben sie sich in ihren Abhängigkeiten und fackeln sich gegenseitig ab. Sie jammern über ihre Einsamkeit. Dabei haben sie mich und meinen Bruder und meine Schwester. Ich habe tiefe Ringe unter den Augen, weil ich meine Unschuld verloren habe. Es muss doch einer kommen, der mir hilft. Zunächst muss ich den Körper loswerden. Ihn zerschneiden. Ich spüre nichts. Er gehört mir nicht. Er lacht mich aus. Er findet mich erbärmlich. Er hat mich verraten. Man hat mich verraten. Sie hat mich verraten. Die Angst liebt mich. Aber wenn ich alles nochmal erzähle, wenn ich mich zu Wehr setze und der Angst Hausverbot erteile, wenn ich es so weit bringe, dass mir das Ganze gleichgültig wird, dann bekomme ich meinen Körper zurück. Und dann löscht er die Erinnerung. Hilf mir, Schwalbe, bitte.

Der Körper zerfließt in Tränen. Er wollte sich verlieben, aber er wusste nicht, wie man sich im Feindesland bewegt.

 

Aus dem Tschechischen von Eva Profousová