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Filmreihe: Tschechische Meister

Ab 3. März in der Schaubühne Lindenfels in Leipzig.

lindenfels

Den Auftakt der Reihe gibt am 3. März Gustav Machatýs Stummfilm-Liebesmelodram „Erotikon“ (1929), das mit seinen für die damalige Zeit gewagten Erotikszenen als anstößig und verrucht galt. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mädchens, das von seinem Verführer im Stich gelassen und später als verheiratete Frau erneut von ihm umworben wird. Nach „Erotikon“ folgt Machatýs progressiver Film „From Saturday to Sunday“ (1931), einer der frühen Triumphe der Tonfilmära. Darauf werden zwei visionäre Kriegsparabeln nach den Vorlagen des Literaten Karel Čapek gezeigt: „Die weiße Krankheit“ (1937) und „Krakatit“ (1948). Mit Karel Steklýs Zweiteiler „Der brave Soldat Schwejk“ und „Melde gehorsamst“ beginnt in den 1950er Jahren die Zeit, in der tschechoslowakische Filme auch international an Bekanntheit gewannen. Diese Aufmerksamkeit findet in den 1960er Jahren mit der „Tschechoslowakischen Neuen Welle“ ihren Höhepunkt. Die beiden herausragenden Beispiele aus dieser Epoche sind Jan Němecs „Diamanten der Nacht“ (1964) und František Vláčils Meisterwerk „Markéta Lazarová“ (1967).

Alle Informationen gibt es auf
www.schaubuehne.com

Eröffnung der Filmreihe „Tschechische Meister“ mit der Stummfilm-Vorführung „Erotikon“ von Gustav Machatý

Tschechoslowakei 1929, s/w, 85 Min., dt. Zwischentitel, Live-Improvisation am Klavier: Robert Herrmann, Sonntag, 3. März 2019, 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels, Karl-Heine-Str. 50, 04229 Leipzig.

Die weiteren Filme der Reihe:

Sonntag, 10. März, 19 Uhr: From Saturday to Sunday

Tschechoslowakei 1931 von Gustav Machatý, schwarz-weiß, 69 Min., OmU

Gustav Machatýs erster Tonfilm folgt einer schüchternen Stenotypistin, die in einem Nachtklub den Avancen zweier lüsterner Plutokraten entkommt, um dann in einer Arbeiterkneipe einem sympathischen Fremden zu verfallen. Das Psychodrama verbindet Realismus mit der poetischen Vision des Stadtalltags und experimentiert vor allem mutig und progressiv mit der Verwendung von Klang. Das Drehbuch stammt vom tschechischen Dichter und Schriftsteller Vítězslav Nezval.

Sonntag, 17. März, 19 Uhr Die Weiße Krankheit

Tschechoslowakei 1937 von Hugo Haas, schwarz-weiß, 106 Min., OmU

In einem Land, dessen Einwohner durch die glühenden Reden eines Diktators erfolgreich von der eigenen Überlegenheit und der Legitimität des Krieges überzeugt sind, hat sich ein verheerendes Lepra-Virus verbreitet: Morbus Tshengi, genannt „die weiße Krankheit“. Doktor Galen ist der einzige, der ein Gegenmittel besitzt – er wird es jedoch nur preisgeben, wenn die Mächtigen bereit sind, den Krieg aufzugeben. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Karel Čapek, welches 1937 uraufgeführt wurde. Die Realparallelen zu den unmittelbar bevorstehenden Gefahren des Nationalsozialismus sind erschreckend präzise eingefangen.

Donnerstag, 21. März, 21.15 Uhr: Krakatit

Tschechoslowakei 1948 von Otakar Vávra, schwarz-weiß, 97 Min., OmU

Krakatit: So heißt der gefährlichste Sprengstoff, den die Menschheit je entwickelt hat. Nicht nur seinem Erfinder, dem Chemiker Prokop, ist das bewusst, sondern auch diversen zwielichtigen Gestalten, die – zur Not auch mit Gewalt – versuchen, an die geheime Formel zu gelangen. 1924 erschien die Romanvorlage von Karel Čapek, der auch hier wieder eine fast unheimliche Vorausschau bewies: Was damals noch wie eine Science-Fiction-Vision aus dem Kopf eines Autors wirkte, war zur Premiere des Films 1948 nach Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bereits Realität geworden.

Sonntag, 24. März, 19 Uhr: Der brave Soldat Schwejk

Tschechoslowakei 1956 von Karel Steklý, 105 Min., OmU

Erster Teil der bekanntesten Verfilmung des satirischen Schelmenromans von Jaroslav Hašek. Mit Naivität und Bauernschläue übersteht der Offiziersbursche Josef Schwejk Obrigkeit und Ersten Weltkrieg und rüttelt dabei kräftig an den Grundfesten der Donaumonarchie. Viele Film- und Theaterregisseure hat Hašeks Roman zur Adaption angeregt, u.a. Erwin Piscator und Bertolt Brecht. Steklý fand jedoch mit Rudolf Hrušínský für den Soldaten Schwejk die Idealbesetzung.

Sonntag, 31. März, 19 Uhr: Melde gehorsamst

Tschechoslowakei 1957 von Karel Steklý, 91 Min., OmU

Der zweite Teil der Verfilmung von Hašeks humoristischem Roman folgt den weiteren Abenteuern von Soldat Schwejk, der sich nun in der österreichisch-ungarischen Armee wiederfindet, aber auch in der Hitze des Gefechts nie seinen Optimismus verliert. Der Film gilt als zeitloser Klassiker, der mit Stil, Eleganz und nicht zuletzt seiner klaren Antikriegshaltung überzeugt, die selbst im repressiven Klima der späten 1950er Jahre nicht unterbunden werden konnte.

Sonntag, 7. April, 19 Uhr: Diamanten der Nacht

Tschechoslowakei 1964 von Jan Němec, 64 Min., OmU

Als Gewinner des Grand Prix auf dem Filmfestival Mannheim-Heidelberg war Němecs existenzielles Drama der erste Vertreter der „Tschechoslowakischen Neuen Welle“, der auch internationale Anerkennung fand. Er bietet einen äußerst ungewöhnlichen Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Die lose auf Arnošt Lustigs Autobiografie basierende Erzählung über zwei junge jüdische Männer, die von einem Deportationszug fliehen und in den Wäldern des Sudetenlandes Unterschlupf suchen, wird zu einer naturalistischen Studie über Gefährdung, Verstoßung und Entwurzelung.

Sonntag, 14. April, 17 Uhr: Markéta Lazarová

Tschechoslowakei 1967 von František Vláčil, 158 Min., OmU

Das Hauptwerk der tschechischen Kinematografie ist ein harscher, aber auch höchst lyrischer Blick auf den Historienfilm. Die Liebesgeschichte über eine Bauerntochter, die sich im 13. Jahrhundert statt in einem Kloster in der Banditengruppe ihres Nachbarn Kozlík wiederfindet, ist die Grundlage für ein vielgestaltiges historisches Mosaik, welches verschiedene Charaktermotive und Themen zusammenbringt. Mehrjährige Recherchearbeiten über die Zeitperiode waren die Basis für die Verfilmung von Vladislav Vančuras Roman, in der Paganismus und Religion, Männlichkeit und Weiblichkeit, Hass und Liebe um Dominanz kämpfen.

Lena Dorn