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Lesung mit Viktorie Hanišová

Literarische Entdeckungen: „Anežka“ von Viktorie Hanišová am 7.6. in Berlin.

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In ihrem viel beachteten Romandebüt seziert die junge tschechische Autorin Viktorie Hanišová nicht nur eine von Beginn an schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Am Beispiel einer ganz privaten Geschichte schaut sie auch kritisch auf überkommene Frauenbilder und tief in der tschechischen Gesellschaft verwurzelte Vorurteile: Julie träumt von einer kleinen Tochter mit blonden Haaren und blauen Augen. Weil dieser Wunsch nicht zu erfüllen ist, nimmt sie ein Roma-Baby in Pflege und umgibt die Herkunft des Kindes mit einem Netz aus Lügen.

Mit der Adoption eines Roma-Kindes greift Viktorie Hanišová ein Thema auf, das vor einigen Jahren Tereza Boučková in die tschechische Literatur eingebracht hat. Sie nähert sich dem Thema jedoch weniger emotional, analysiert ihre Protagonistin genau und hinterfragt ihre Motive: Um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, ist Julie bereit, sehr weit zu gehen. Die erfolgreiche Frau hat in ihrem Job alles erreicht, jetzt träumt sie von einem Kind, einer niedlichen, blonden, in jeder Hinsicht perfekten Tochter Anežka. Ihr Traum aber bleibt unerfüllt. Und so findet sie einen Weg, um Agnes in Pflege zu nehmen, das Baby einer Romafrau, die das Kind nicht behalten will. Um missliebigen Fragen aus dem Bekanntenkreis vorzubeugen, erfindet Julie kurzerhand eine neue Identität für ihre Tochter. Die Erwachsenen glauben die Geschichte, aber was macht das mit dem Kind? Hat Julie ihrer Tochter wirklich einen Dienst erwiesen und sie von einem Stigma befreit? Kann Agnes nun genauso aufwachsen wie die anderen Kinder?

Die Autorin liest in deutscher Sprache Auszüge aus dem Roman, die von Christina Frankenberg ins Deutsche übersetzt wurden. Der tschechische Originaltext wird projiziert.

Siehe Tschechisches Zentrum Berlin.

Lena Dorn